Dienstag, 3. Februar 2009

Die neue Welt des Gebens

Menschenfreunde finden heute anders und professioneller Themen


von Cordelia Chaton

Stiftungen besetzen heute anders und neu Themen. Bürger setzen sich ein und geben neben Geld auch Zeit. Das Internet bietet neue Möglichkeiten, Wohltätigkeit zu bewerten oder Bedürftige zu finden. Das berührt auch den Finanzsektor .Der Kunde kommt in die Bank und sagt: "Ich habe zehn Millionen Euro und will sie für einen guten Zweck anlegen. Sagen Sie mir, wie man eine Stiftung gründet , welche Bedürftigen es gibt und wie das abläuft."

Die Szene ist keine Fiktion, sondern findet so oder ähnlich derzeit in vielen Luxemburger Finanzhäusern statt. Sie zeigt: Es ändert sich etwas. Der Philanthrop , der in seinem Testament einer bekannten Stiftung für klassische Musik oder Hilfe in der Dritten Welt sein Geld vermacht, ist nicht mehr der Prototyp.

Es gibt immer mehr vermögende Privatkunden, die keine Nachkommen haben oder diesen nicht alles überlassen wollen. "Die Reichen", bestätigt Ex-ABBL -Direktor Lucien Thiel, "nehmen zahlenmäßig eindeutig zu. Damit nimmt auch der Wunsch zu, von diesem Reichtum etwas abzugeben und Gutes zu tun."

Häufig wollen Wohlhabende aber nicht mehr Mäzen sein, also jemand, der mit Geld oder geldwerten Mitteln unterstützt, aber sich jederzeit zurückziehen kann. Zur Zeit setzt sich - vor allem in der Finanzwelt - der Begriff des Philanthropen durch .

Dieser Begriff für einen Menschenfreund wird vor allem in den USA häufig verwendet, um einen reichen Spender zu bezeichnen. In der Finanzwelt wird er heute fast automatisch mit Stiftungen in Verbindung gebracht.

Denn die bringen die Finanzszene ganz schön durcheinander. Längst geht es nicht nur um Männer. Stifter sind immer öfter weiblich. Sie haben auch immer öfter genaue Vorstellungen von dem, was sie möchten. Oft geht es um Belange in ihrem Lebensraum.

Eine begeisterte Musikerin will Instrumente an junge Talente verleihen, eine andere setzt sich fürs Vorlesen im Altersheim ein, wieder ein anderer fördert den Lokalsport. Oft will die Stifterin oder der Stifter persönlich am Aufbau beteiligt sein. Themen wie Umwelt- und Naturschutz, Familienfreundlichkeit, Integration oder gar der Kampf gegen Übergewicht bei Jugendlichen werden Stiftungszweck .

Mikrofinanz: Kreditvermittlung online und Hybridprodukte
Oft kommt es dabei zu einer professionellen Beratung. Es gibt mittlerweile eigene Studiengänge und Berufszweige, die Vermögenden zur Seite stehen, wenn sie einen Zweck suchen oder juristische Fragen klären wollen.

Dabei spielt das Internet eine wichtige Rolle. Auf der Webseite von www.kiva.org können Philanthropen Mikrokredite an Kleinstunternehmer in Schwellen- oder Entwicklungsländern vergeben. Lach Kong aus Kambodscha beispielsweise leiht sich 1 000 Dollar auf 18 Monate, um ein Motorrad samt Anhänger für seinen Lebensmittelladen zu kaufen . Das Geld kommt von "Susan", einer Fotografin aus den USA. In Nicaragua, Peru oder Kenia warten schon andere Kreditnehmer.

Sarath Jeevan, der von Großbritannien aus das Projekt leitet, erklärt , dass der Start 2001 schwierig war. "Aber seither haben wir über neun Millionen Dollar erhalten." Die Kreditgeber "spenden" das Geld der Internetseite, die es über verschiedene Partner zu den Kreditnehmern bringt. Im Hinblick auf Luxemburgs Anstrengungen im Bereich Mikrofinanz ein bemerkenswertes Projekt.

"Im Bereich der Mikrofinanz gibt es immer mehr solcher Hybridprodukte", weiß Tim Radjy CEO der Züricher Alphamundi, die Vermögende und Stiftungen bei Anlagen berät. "Früher ging es um Spenden oder Kredite, heute reden wir über Risikokapital und Aktiengesellschaften."

Bei der Rockefeller Foundation werde offen über eine neue Nutzung brachliegenden Stiftungskapitals nachgedacht . Alphamundi selbst will im Sommer einen Fonds mit ethischen Produkten auf den Markt bringen.

Wer heute gibt, will der Welt etwas hinterlassen - aber eben schon zu Lebzeiten . Bill Gates hat es vorgemacht. Die Freude der anderen ist dann der Lohn für das gute Herz. Weil das Portemonnaie aber nicht immer so dick wie bei den Rockefellers ist, entstehen Stiftungen häufig mit viel geringerem Vermögen.

Die Bürgerstiftungen in Deutschland - beispielsweise für Integration im Berliner Stadtteil Neukölln - sind ein gutes Beispiel dafür. Sie verfügen oft nicht einmal über 100 000 Euro Stiftungskapital. Vorbild dafür waren die USA. In Deutschland hat die Idee vor zehn Jahren Fuß gefasst. Mittlerweile gibt es über hundert Stiftungen.

Neu ist auch die Führung. Controlling und Projektmanagement gehören heute selbstverständlich dazu. Auch die Vermögensverwaltung nimmt einen neuen , ethisch akzentuierten Platz ein. Keine Umweltstiftung will sich gern sagen lassen , sie hätte ihr Vermögen ausgerechnet in ein fragwürdiges Atomprojekt gesteckt.

Stiftungen arbeiten häufiger als früher mit anderen Stiftungen zusammen und nehmen - oft auch ganz bewusst - Aufgaben wahr, die vormals dem Staat vorbehalten waren. Das reicht von der Schülerbetreuung bis hin zur Krankenpflege oder Stadtverschönerung.

Stiftungen selbst sind für Banken interessante Kunden. Das Vermögen soll vermehrt und nicht abgezogen werden, die Einlagen sind hoch und die Stiftung als Kunde hat eine höhere Lebenserwartung als die meisten Bankkunden.

Gesetz von 1928 zuletzt verändert 1994

Dennoch hinkt Luxemburg, das sich sonst als schneller Gesetzgeber im Finanzbereich einen Namen gemacht hat, hinterher. Das Gesetz zu Stiftungen von 1928 wurde 1994 das letzte Mal angepasst. Vor allem Großbritannien und die Schweiz sind schneller . Stiftungen wird hierzulande das Leben mit Steuern auf Spenden und notwendigen Genehmigungen ab 12 500 Euro nicht gerade einfach gemacht.

Darüber hinaus fehlt ein organisatorischer Überbau wie die Foundation Baudouin in Belgien oder das Maison de France in Frankreich. Von Strukturen für grenzüberschreitende Gaben ganz zu schweigen. "Wir haben Nachholbedarf", stellt Jacques Santer mit Blick auf die rund 250 Luxemburger Stiftungen denn auch fest.

Aber im Hinblick auf einen wachsenden Markt, die Zukunft des Finanzsektors und die Ausgaben des Staats lohnt es sich, das Thema anzugehen. Dieser Meinung sind mittlerweile immer mehr Verantwortliche im Finanzsektor. Nicht zuletzt, weil sie sich Kunden gegenübersehen , die Geld für gutes geben wollen.



© saint-paul luxembourg

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