Philanthropie: Der Banken- und Wirtschaftsfachmann sieht Chancen für Luxemburg
Von Cordelia Chaton
Der ehemalige Chefredakteur von "Revue" und "Lëtzebuerger Land" sowie Ex-Direktor und jetzige Berater der ABBL sitzt heute im Parlament, ist Gemeinderatsmitglied und setzt sich für Wissenschaft und Kultur ein. Er äußert sich zur Bereitwilligkeit Wohlhabender, Geld zu geben, das möglicherweise in Stiftungen fließt.
Philanthropie umfasst aber auch den Einsatz von Wissen, Fähigkeiten und Zeit. Das reicht vom Vorlesen bis zur Gratisberatung. In den angelsächsischen Ländern sehr verbreitet , ist Philanthropie derzeit auch in Luxemburg in der Diskussion.
Was bringt Philanthropie für Luxemburg?
Es geht um zwei Dinge. Zum einen um das Geschäftsangebot des internationalen Finanzplatzes Luxemburg und zum anderen um soziale und kulturelle Entwicklungen im Inland. Ich denke, wir haben im Bereich der Philanthropie schon ein bisschen Entwicklungsbedarf .
Wir geben zwar sehr viel für Entwicklungshilfe aus, aber im Land selbst hinken wir mit den Ausgaben für Soziales und Kultur hinterher.
Warum ist Luxemburg so spät dran?
Das hat etwas mit unseren Rechtsgepflogenheiten zu tun. Wir befinden uns hier im Einzugsbereich des Code Napoléon, der einem Versorgungsstaat das Wort redet . Im protestantischen angelsächsischen Raum wird das anders gesehen. Das erklärt unser Hintertreffen.
Auf der anderen Seite sind wir aber Vorreiter bei internationaler Hilfe. Das hängt für mich auch mit den Niederlassungen der internationalen Organisationen in Luxemburg zusammen, die bei der Spendensammlung auf das Knowhow ihrer Mutterhäuser zurückgreifen können. Ich bin selbst Vizepräsident der Fondation Kräizbierg, die sich seit 30 Jahren um behinderte Menschen jeden Alters kümmert.
Wir haben immer Probleme mit Spenden und sind längst nicht so geübt im Geldsammeln wie die bekannten Nichtregierungs-Organisationen. Häufig dringen wir mit unserem Anliegen gar nicht zu potenziellen Spendern durch.
Mikrokredite und Mikroversicherungen weisen neue Wege. Sehen Sie Möglichkeiten , diese sinnvoll für philanthropische Zwecke einzusetzen?
Es geht darum, Fonds im Denkmuster der Philanthropie aufzulegen; genau so ist es auch bei Mikrokrediten. Da haben wir uns als Finanzplatz einen Namen gemacht. Natürlich ist das nicht das Supergeschäft für die Banken, aber auch im Denken der Unternehmen nehmen nehmen die sozialen Belange immer mehr Platz ein.
In unserm spezifischen Fall könnte Philanthropie zum Ausgangspunkt für einen neuen, positiven Geschäftszweig des Finanzplatzes werden. Denn wir sind als internationales Finanzzentrum nicht zuletzt auch auf das Verwalten von Privatvermögen spezialisiert. Wenn wir innerhalb Europas eine Sammelstelle für Spenden, eine Art Zentrum für Philanthropie werden könnten, hätten wir schon etliches geleistet.
Wollen am Ende immer mehr Reiche immer mehr Gutes tun?
Die Reichen nehmen zahlenmäßig eindeutig zu. Damit nimmt auch der Wunsch zu, von diesem Reichtum etwas abzugeben und Gutes zu tun. Deshalb könnte Philanthropie zu einem neuen Geschäftsfeld werden. Von spezifischen Philanthropie-Formen wie solidarischem Sparen oder Hybridprodukten sind wir da sicher noch etwas entfernt .
Meine Erfahrung in der Fondation Kräizbierg ist, dass die Leute sich nicht per Dauerauftrag festlegen wollen sondern lieber ad hoc über ihre Spenden entscheiden . Aber bei den denkbaren Philanthropie-Produkten gibt es etlichen Gestaltungsspielraum , den unsere Finanzoperateure zweifellos innovativ ausfüllen werden.
Was fehlt, damit das Geld zu den Bedürftigen kommt?
In der ersten Phase stellt sich für die potentiellen Spender das Problem, dass sie nicht über die in Frage kommenden Empfänger und deren Bedürfnisse im Bilde sind. Allgemein fehlt es am Informationsfluss zwischen Geber und Nehmer . Wenn heute ein reicher Kunde in der Bank fragt, wem er das Geld geben kann, sind die meisten Berater überfordert.
Deshalb bin ich sicher, dass unsere Banken aus der Tätigkeit mehr machen können. Sicher müsste auch der entsprechende Rechtsrahmen, z. B. bezüglich der Stiftungen, angeglichen und noch attraktiver gestaltet werden. Wenn wir unsere Gesetzgebung "philanthropiefreundlicher" machen , dann wäre auch den Kunden geholfen, gleichgültig, ob es sich um Luxemburger oder Ausländer handelt.
Beim Wort "Stiftungen" kommt bei vielen mit dem Gedanken an Liechtenstein ein schaler Beigeschmack auf ..
Wir sollten aus der Erfahrung unserer Freunde in Liechtenstein lernen und es vermeiden , aus den Stiftungen ein reines Steuersparprodukt zu machen. Das ist vielleicht jetzt eine Chance für Luxemburg.
Zurzeit gibt es etwa 250 Stiftungen hierzulande, die allerdings rein national ausgerichtet sind. Wir haben jetzt die Chance, daraus ein internationales Produkt zu machen und damit wohlhabende Spender nach Luxemburg zu ziehen. Da ist für mich noch eine Marktlücke.
Am 23. April findet in der Philharmonie ein Kolloquium zum Thema Philanthropie statt. Eine sinnvolle Veranstaltung oder zweckloser Insidertreff?
Diese Veranstaltung verfolgt das Ziel, das Philanthropie-Terrain auszukundschaften . Wenn man dann zu dem Schluss kommt, dass sich hier eine neue Geschäftstätigkeit für den Finanzplatz auftut, könnte sich wieder einmal Luxemburgs Stärke zeigen: Schnell reagieren und das gesetzliche Umfeld den neuen Erfordernissen anpassen . Wenn wir das bewirken, öffnet sich dem Finanzplatz zweifellos eine neue Nische .
Die Tatsache, dass der Premierminister höchstpersönlich an der von Ihnen erwähnten Veranstaltung teilnimmt, deutet immerhin auf eine Rückendeckung seitens der Regierung hin. Wir bewegen uns auf ein neues Gebiet zu, das sowohl geschäftlich wie auch sozial Nutzen bringen kann; eine Win-win-Situation, wie man heute zu sagen beliebt.
© saint-paul luxembourg Letzte Aktualisierung: 15-04-2008 15:53
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