Dienstag, 3. Februar 2009

"Wie Obelix mit dem Zaubertrank..."

Der Geschäftsführer der Stiftung Forum Europa wünscht sich mehr Kooperationsbereitschaft


von Cordelia Chaton


Luxemburg hat einen gewissen Nachholbedarf im Stiftungswesen, meint Claude Gengler . Es gebe zwar Stiftungen, ihre Arbeit werde aber in der breiten Öffentlichkeit nicht immer richtig wahrgenommen. Dem "Luxemburger Wort" berichtet er von seinen Erfahrungen.

Herr Gengler, was macht Ihre Stiftung, warum wurde sie geschaffen und wer steht dahinter?

Forum Europa ist eine private Stiftung luxemburgischen Rechts ohne Gewinnzweck , mit Sitz in der Stadt Luxemburg. Sie wurde 2002 gegründet mit dem Ziel, die Wissenschaft, die Bildung, die Forschung, die Kultur sowie die wirtschaftliche und soziale Weiterentwicklung der Großregion SaarLorLux/Rheinland-Pfalz/Wallonien fordernd und fördernd zu begleiten.

Vorsitzender des Verwaltungsrates ist Arno Krause, gleichzeitig Gründungsmitglied und Vorsitzender des Gesellschafterausschusses der Europäischen Akademie Otzenhausen. Paul Meyers ist stellvertretender Vorsitzender . Seit Oktober 2004 besitzt die Stiftung ein Kuratorium, unter dem Vorsitz von Jacques Santer.


Die Großregion ist im Moment "in". Zahlreiche Institutionen wie Gipfel , Regionalkommission, Interregionaler Parlamentarierrat, Wirtschafts- und Sozialauschuss , Haus der Großregion oder Quattropole kümmern sich darum. Warum braucht die Großregion eine Stiftung?

Die von Ihnen genannten Akteure gehören zur traditionellen Architektur der Großregion, sozusagen zum "Establishment": Politik, Verwaltung, Parlamentsebene , Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, Städte und Kommunen.

Sie bestehen zum Teil schon lange. Gleichzeitig sind sie aber eingebunden in feste Strukturen, die in den allermeisten Fällen nach streng nationalen Denkschemen verfahren: Zuerst kommen wir, dann die anderen. Eine Stiftung, die von privaten Personen und Unternehmungen geschaffen wurde und unterstützt wird, ist dagegen frei und ungebunden.

Sie ist niemandem - abgesehen vom Stifter - Rechenschaft schuldig, muss nicht wiedergewählt werden, kann also auch Themen und Projekte anpacken, mit denen sich die politisch -administrative Ebene in der Regel nicht beschäftigt. Wir sehen eine unserer wesentlichen Aufgaben darin, dazu beizutragen, dass die Grenzen in den Köpfen der Bewohner der großregionalen Kernzone abgetragen werden, mittels konkreter Projekte und Maßnahmen.

Wie gesagt, es gab noch nie so viele Menschen, die sich mit diesem Raum befasst haben; unzählige Arbeitsgruppen erstellen Inventare , tauschen Erfahrungen aus, bereiten Plenarsitzungen vor - seit Jahren. Natürlich wurden Fortschritte erzielt. Trotz alledem haben wir den Eindruck, dass der große Qualitätssprung noch aussteht.

Die Großregion muss mehr sein als eine intellektuelle Konstruktion von Regierenden, Beamten und Studienbüros. Hier möchten wir uns einbringen und gemeinsam mit anderen, öffentlichen und privaten Partnern die großregionale und die europäische Idee weiterbringen.

Ihre Personaldecke ist sehr klein. Wie arbeiten Sie, wer hilft Ihnen dabei?

Unsere Stiftung ist absolut unabhängig, gleichzeitig aber Teil eines Netzwerks mit dem Namen "Partner für Europa". Die zentrale Einrichtung dieser sich ganz der europäischen Idee verschriebenen Plattform wird gebildet von der Europäischen Akademie Otzenhausen, wo - vor mittlerweile fast 40 Jahren - der Begriff SaarLorLux geprägt wurde.

In Zusammenarbeit mit der saarländischen ASKO Europa-Stiftung ist es uns gelungen, ein Repräsentationsbüro unserer Stiftung in Saarbrücken einzurichten. Auch in Luxemburg haben wir gute Projektpartner, etwa die Fondation Alphonse Weicker, der nationale Forschungsfonds, das Ceps-Institut, ja sogar mit der Uni Luxemburg haben wir schon gearbeitet.

Trotz unserer bescheidenen Größe - das Gründungskapital der Stiftung beträgt 500 000 Euro, ein Jahreshaushalt etwa 300 000 Euro, sämtliche Projekt- und Fördermittel inbegriffen - ist es Forum Europa in kurzer Zeit gelungen, sich in der Großregion einen guten Namen zu machen.

Welche Projekte wollen Sie mit Ihren Partnern durchführen?

Zum einen große, internationale Kolloquien. Im Oktober 2004 haben wir in der Abtei Neumünster ein zweitägiges Kolloquium zum Thema "Der demografische Wandel und seine Auswirkungen auf die einzelnen Teilgebiete der Großregion" organisiert . Im März 2006 - diesmal in der Handelskammer -, fand das zweitägige Kolloquium "Grenzregionen: einfache Schnittstellen oder avantgardistische Integrationsräume ?" statt.

Vier europäische Grenzregionen trafen hier aufeinander, um Informationen , Erfahrungen und "Best Practice" auszutauschen. Im Oktober 2008 werden wir mit unseren Partnern das dritte SaarLorLux-Forum der Großregion in Otzenhausen organisieren ; diesmal zum Thema "Integration". Mit der Vereinigung Euregio SaarLorLux+ haben wir den "Tag der Grenzgemeinden der Großregion" ins Leben gerufen.

Wir nehmen an großen Forschungsprojekten teil, geben eine eigene Schriftenreihe mit den "éditions saint-paul" heraus, schreiben für Printmedien und haben mit dem belgischen Kartenhersteller De Rouck die erste offizielle Straßenkarte der Großregion initiiert. Wir sind aber auch an Wirtschaftsthemen interessiert:

Als Gründungsmitglied des Arbeitskreises Wirtschaft Luxemburg durfte ich 2003 im Auftrag der Vereinsführung (Stiftungsführung?) eine Studie zum Thema "Die Bedeutung der Großregion für mittelständige Unternehmen aus Luxemburg" durchführen und veröffentlichen .

Wie finanziert die Stiftung diese Aufgaben?

Das Geld stammt zum größten Teil aus der Privatwirtschaft und von anderen , befreundeten Stiftungen. Wenn es sich um öffentliche Forschungsarbeiten handelt , im Sinne des "Public-private-partnership"-Prinzips (PPPP), konnten auch schon mal öffentliche Forschungsgelder verarbeitet werden.

In der Regel tragen sich unsere Kolloquien selbst, etwa durch gezieltes Sponsoring und Teilnehmerbeiträge. Natürlich liegt das Geld nicht auf der Straße; wenn die Projekte aber wirklich gut sind , findet man in der Regel eine Finanzierungsmöglichkeit.

Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung Ihrer Stiftungsarbeit?

Auch eine Stiftung muss sich weiterentwickeln. Nachdem wir jetzt in der Großregion und darüber hinaus - wir haben bereits mit Partnern aus Polen, der Schweiz und Portugal gearbeitet - Fuß gefasst haben, geht es uns darum, neue zukunftsweisende Themen zu besetzen, beispielsweise Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Nachhaltigkeit.

Dann die Lehre und die Forschung: Es ist für uns unbegreiflich , warum keine unserer Universitäten die Großregion systematisch erforscht und in ihre Lehrpläne aufgenommen hat. Es gibt also noch eine Menge zu tun ...

Wie schätzen Sie die Zukunft des Stiftungswesens in Luxemburg ein?

Ich wäre froh, wenn der eine oder andere luxemburgische Akteur sich etwas offener, kooperativer und kreativer zeigen würde. Einige haben immer noch nicht verstanden, dass die Zeit der Kathedralenbauer vorbei ist. Jeder spricht von PPPP , aber wer tut es wirklich? Ich bekomme oft Fragen gestellt wie "Was macht denn eine Stiftung?", "Wer hat denn Geld für so etwas?" oder "Glauben Sie wirklich an die Zukunft der Großregion?".

Wobei die Antwort auf die letzte Frage sich ja erübrigt: Wenn nämlich die Großregion keine Zukunft hat, hat Luxemburg auch keine, zumindest nicht auf Dauer. Diese Bemerkungen zeigen aber auch, dass es noch großen Aufklärungsbedarf gibt, was die Entwicklung und die Ausrichtung des Stiftungswesens angeht.

Dabei werden Stiftungen dringend gebraucht, auch solche mit Europabezug. Die Luxemburger und Europa, das ist wie Obelix mit seinem Zaubertrank : Als Kind fällt man hinein und hofft, dass die Wirkung möglichst lange anhält. Was aber tun bei einem Schwächeanfall? Wer hütet das Rezept des Zaubertranks? Wahrlich eine schöne Aufgabe für eine Stiftung...




© saint-paul luxembourg Letzte Aktualisierung: 21-04-2008 10:26

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