Dienstag, 3. Februar 2009

Philanthropie -Wir haben Nachholbedarf"

Philanthropie -Wir haben Nachholbedarf"

Philanthropie: Der Ehrenstaatsminister hält Gesetzesanpassung für notwendig



Von Cordelia Chaton


Der ehemalige Premier-, Finanz-, Schatz- und Kulturminister kennt Luxemburg aus seinen Funktionen gut. International sammelte er Erfahrung als ehemaliger Präsident der Europäischen Kommission, Vizepräsident des Europäischen Parlaments , Mitglied des Gouverneursrats der Weltbank und Gouverneur des Internationalen Währungsfonds . Hinter den Kulissen ist der Ehrenstaatsminister immer noch aktiv; unter anderem im Kulturbereich als Verwaltungsratspräsident des Mudam.


Herr Santer, Sie haben in Ihrer Zeit als Finanzminister, Premierminister und Präsident der Europäischen Kommission die Geschicke des Finanzplatzes maßgeblich beeinflusst. Was halten Sie von Produkten rund um die Philanthropie?



Nun, ich kann da auf meine Erfahrung mit Fonds zurückblicken. Als ich Finanzminister war, wurde ja der Grundstein für die heutige Fondsindustrie gelegt. Damals wurde das Thema europaweit diskutiert. Wir haben gar nicht lang geredet, sondern die noch in der EU diskutierte Vorlage ganz schnell umgesetzt. Die EU hat erst deutlich später darüber entschieden. Die Schnelligkeit der Entscheidung hat uns Vorteile gebracht . Beim Satellitengeschäft war es genau so. Bei der Philanthropie sind wir etwas ins Hintertreffen geraten.




Am 23. April findet ein großes Kolloquium zum Thema statt, bei dem Sie die Abschlussrede halten werden. Wie kam es dazu?


Die Initiative ging von der "Banque de Luxembourg" aus, die hatten schon einen Rat zum Thema und haben auch die Veranstaltung initiiert. Die Bank möchte, dass Philanthropie zu einem nationalen Thema wird. Ich habe die Einladung angenommen in der Hoffnung, dass das Resultat der Veranstaltung Impulse für die breite Öffentlichkeit sind.




Kannten Sie das Thema Philanthropie vorher? Viele Zeitgenossen denken da eher an Philatelie - also Briefmarkenkunde - als an Menschenliebe und Stiftungsrecht ...

Mir ist das Thema durch meine Funktion als Verwaltungsratspräsident des Mudam , des "Musée d’art moderne", bekannt. Dort sind wir auch auf Mäzene angewiesen.

Aber auch aus anderen Funktionen ist mir Philanthropie ein Begriff. So bin ich auch in anderen Stiftungen aktiv, unter anderem bei der neu gegründeten Schengener Friedensstiftung von Hubert Rohde und Matt Lamb.

Der amerikanische Maler Matt Lamb hat dem Museum seine gesamten Werke vermacht, dafür wird eine Stiftung gegründet. Sie sehen, dass das Thema in Luxemburg sehr aktuell ist.


Was soll nach der großen Veranstaltung in der Philharmonie folgen?

Ich hoffe, dass es nicht dabei bleibt. Es sollte ein Follow-up geben, ein regelrechtes Crescendo. Ich hatte schon Gespräche mit Regierungsmitgliedern und Premierminister Juncker, die an dem Thema interessiert sind. Ich würde gern Ergebnisse sehen . Und die kann es sehr schnell geben.


Was bringt Philanthropie den Luxemburgern?

Man muss nur nach Deutschland schauen, wo in den vergangenen Jahren drei Mal das Gesetz geändert wurde. Letztlich geht es um eine weitere Stärkung des Bürgerengagements . Das ist der Punkt.

Man spürt in der Gesellschaft einen regelrechten Boom; immer mehr Menschen wollen sich uneigennützig für andere einsetzen. Diese Aufbruchsstimmung spiegelt sich auch in Luxemburg in der steigenden Zahl der Nichtregierungsorganisationen wider.



Worauf führen Sie das Gutmensch-Phänomen zurück?

Die Ursachen sind vielfältig. Der demografische Wandel, der auch dazu führt , dass es weniger Erben gibt, ist sicher ein Punkt. Jene, die schon viel haben, wollen sich nach einem erfüllten Leben oft gern für die anderen engagieren.

Sehr wichtig ist dabei die Hilfe zur Selbsthilfe. Das kann auch bedeuten, Menschen zu helfen, über sich selbst hinaus zu wachsen. Und das gilt in gleichem Maße für Bürger und Unternehmen.


Große Unternehmen fühlen sich aber häufig gar nicht mehr verpflichtet , sich zu engagieren; vor allem nicht, wenn Sie durch Zukauf nach Luxemburg kommen ...

Deshalb ist deren Einbeziehung so wichtig! Es gibt mittlerweile sogar auf EU-Ebene Richtlinien zur "Corporate Social Responsibility", also der sozialen Verantwortung eines Unternehmens gegenüber seiner Umwelt. Unternehmen können und dürfen sich einer gesellschaftlichen Verantwortung nicht entziehen.


Was hat der Staat von Philanthropie?

In der luxemburgischen Gesellschaft ist eine Aufbruchsstimmung im kulturellen Bereich spürbar. Doch mit all den neuen Einrichtungen - Philharmonie, Theater, Museen oder Festivals - wird auch ein Bedarf geschaffen, den der Staat auf Dauer nicht allein finanzieren kann.

Daher ist Philanthropie, daher ist Mäzenatentum wichtig. Es gibt unterschiedliche Philosophien dazu; in Skandinavien oder Irland ist Hilfe zur Selbsthilfe stärker ausgeprägt als in zentralistisch geführten Staaten .


Das klingt ein bisschen nach Dritter Welt ...

Es geht hier nicht um Entwicklungshilfe - da sind wir im Hinblick auf den Anteil der Ausgaben am Staatsbudget sicher Vorreiter in Europa - sondern um das Land. Bei Philanthropie kommt es auf das soziale und kulturelle Engagement an; es ist mehr als nur Mäzenatentum. Um das zu fördern, braucht man einen Rahmen.

Dieser Rahmen ist in verschiedenen Ländern in den vergangenen Jahren geschaffen oder aktualisiert worden. Da braucht man nur nach Großbritannien, Belgien, Spanien , Italien, Frankreich oder Deutschland zu schauen. Dort wurde das Stiftungsrecht aktualisiert .


Wie sieht es mit dem rechtlichen Rahmen in Luxemburg aus?

Wir haben im Stiftungswesen Nachholbedarf. Das Gesetz stammt von 1928 und wurde 1994 adaptiert. Daneben wirken verschiedene Barrieren hemmend. Das reicht von der Genehmigung durch das Justizministerium für hohe Spenden bis hin zur steuerlichen Absetzbarkeit. Die Regeln sind zu eng gefasst.

Schwierig ist es auch bei grenzüberschreitenden Spenden. Dabei könnten wir gerade hier Vorreiter sein. In der Großregion wohnen rund zehn Millionen Einwohner; viele Luxemburger leben außerhalb der Landesgrenzen.

Da gibt es ein Potenzial, das nicht zum Tragen kommt. Wenn ein belgischer Bürger, der beispielsweise seine Anlagen in Luxemburg hat, eine Schenkung machen will, dann hat er derzeit ein weit größeres Angebot über die belgische Foundation Roi Baudoin als in Luxemburg. Neben den Gesetzen und den Fragen grenzüberschreitender Gaben ist ein dritter Punkt die Struktur.

Es wäre gut, auf eine Dachorganisation zurückgreifen zu können, die unabhängig arbeitet. Die Fondation Baudouin ist ein gutes Beispiel. Sie ist zwar nach dem König benannt, aber unabhängig - und sie genießt ein hohes Ansehen.


© saint-paul luxembourg Letzte Aktualisierung: 15-04-2008 15:53

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen